Aus nicht nur aktuellem Anlass geht es um universitär-akademische, auch technische Forschung und ob sie von vornherein und immer schon für ein kosmopolitisch friedensorientiertes Zusammenleben steht. Und wenn ja – wird sie ihrer Verpflichtung gerecht, kann sie ihre friedensfördernden Kräfte entfalten? Im Auftrag des ITAS am KIT Karlsruhe und in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung (hgg) Koblenz organisierte der IANUS-Verein das interdisziplinäre Werkstattgespräch Science and Engineering for Peace: Das Scheitern einer Idee? Hier tragen wir Zwischenergebnisse zusammen.
Wesentlich für ein technology assessment (TA) in Zeiten neuer Kriege und Krisen, insbesondere einer Verhärtung geopolitischer Konfliktlinien, ist die Frage, wie all dies im Wissenschaftssystem und der Forschungspraxis reflektiert wird. Die Internationalität der Wissenschaften – auch der Ingenieurwissenschaften – ist nicht nur abstraktes Glaubensbekenntnis, sondern spiegelt sich in der Mobilität von Studierenden und Forschenden, in Publikationsorganen und wissenschaftlichen Gesellschaften, im Tagungsbetrieb. Welche Bedeutung, welche Beharrungstendenz wohnt dem akademischen Ethos inne? Wie kommt das Wissenschaftssystem in internationalen Krisen unter Druck, wie wirkt sich dies auf die Qualität des erzeugten Wissens und technischer Entwicklungen aus? Und was geht darüber hinaus der Weltgemeinschaft verloren, wenn kosmopolitische Aufklärungsideale, wie sie etwa der UN zugrunde liegen, nicht mehr vertreten und gelebt werden?
Die Zwischenergebnisse aus dem Werkstattgespräch, seiner Vor- und Nachbereitung bestehen aus einem Diskussionspapier Demokratie braucht Wissenschaft? Eine Bestandsaufnahme, einem persönlichen Erfahrungsbericht über „Freundliche Wissenschaft in einem unfreundlichen Land“, einem russisch- und englischsprachigen Aufsatz über Alexander Kluge als Technik- und Friedensphilosoph „How to make peace“, und einem Rückblick auf die Koblenzer Gespräche.
Um zwei Fragen geht es dabei vor allem:
- Inwiefern setzt Wissenschaft die Möglichkeit und Wirklichkeit einer internationalen friedlichen Zusammenarbeit voraus?
- Welchen Beitrag kann wissenschaftliche und technische Forschung friedensfördernd leisten, inwieweit den Boden bereiten für eine künftige wieder konstruktive Zusammenarbeit?
Die Antwort auf diese Fragen ist von vornherein schwierig: Reden wir von wissenschaftlich-technischer Forschung als täglich gelebter, ideologisch und politisch vielseitig kompromittierter Praxis oder reden wir von Wissenschaft als Idee und Ideal? Einerseits orientieren sich natur-, ingenieur- und sozialwissenschaftliche Forschende an gesellschaftlichen Vorgaben und nationalen Interessen, andererseits geht mit ihrer Berufswahl einher, dass ihre Arbeit vor den Augen einer zeitlos gedachten, kosmopolitisch verfassten, nach allgemeingültigen Kriterien urteilenden „scientific community“ bestehen muss.
Weiter kompliziert werden die Fragen von den sehr unterschiedlichen Kriegen und Konflikten, angesichts derer es keine „wissenschaftliche Neutralität“ geben kann. Wir sind mit mehr Rüstungsforschung konfrontiert, tätiger Hilfe für Kollegen in Not, Wissensaustausch unter Spionageverdacht, sogar mit dem Abbruch wissenschaftlicher Beziehungen und mit der Tatsache, dass sich unsere ausländischen Kooperationspartner anpassen und nicht etwa protestieren. So weit klaffen hier Ideal und Wirklichkeit einer friedensorientierten Wissenschaft auseinander, dass das Verbindende der wissenschaftlichen Arbeit hinter dem Trennenden zu verschwinden droht.
Insofern es um die „Idee der Wissenschaft und Technik“ geht, stellt sich die Frage, wer für diese Idee einsteht, wer sich für sie stark macht – gerade auch angesichts der genannten Schwierigkeiten. Einfache Lösungen wird es nicht geben und in einem Atemzug müssen womöglich widersprüchliche Aussagen getroffen werden, zum Beispiel: „die Sanktionen sind gerechtfertigt“ und „wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit muss stattfinden“. Wichtiger als die einfache Lösung ist, dass die Debatte geführt wird, dass Wege aufgezeigt, Perspektiven entwickelt werden. Das war der Ausgangspunkt und auch schon das wichtigste Ergebnis des Koblenzer Workshops, der von einer geteilten Sorge getragen wurde, von Leidenschaft für die gemeinsame Sache, aber auch von unterschiedlichen Gewichtungen in einer komplexen Gemengelage.